„Man muss kein großer Seher sein, um vorherzusagen, dass die Beziehung zwischen Mensch und Natur aller Wahrscheinlichkeit nach die wichtigste Frage des gegenwärtigen Jahrhunderts sein wird.“
- Philippe Descola

„Altered Lands“ ist eine Gruppenausstellung, die als grundlegende Studie darüber gedacht ist, wie Künstler:innen das Thema des direkten menschlichen Einflusses auf den Planeten interpretieren.
Unsere Welt verändert sich durch die Hände der Menschen rasant, zunehmend seit dem Beginn der industriellen Revolution, sogar noch exponentiell schneller in der Neuzeit. Das menschliche Leben des 21. Jahrhunderts, wie wir es kennen, ist ohne die Verwendung von Rohstoffen, welche aus der Erde gefordert werden, unmöglich geworden.
Einst unberührte Landschaften werden zunehmend industrialisiert und durch den ständig wachsenden Bedarf nach natürlichen Ressourcen, nach neuen Ölbohrungen, Bergbaubetrieben, Energie- und Nahrungsmittelproduktionen bleiben auf der gesamten Oberflache der Erdkugel offene Wunden und Narben zurück. Darüber hinaus sind ganze Ökosysteme aufgrund der Auswirkungen des Klimawandels rasanten Veränderungen unterworfen.
Mit dieser Ausstellung wollen wir eine Welt zeigen, die wir für uns selbst geschaffen haben. Die 
Besucher:innen werden eingeladen, Augenzeugen einer Realität zu werden, die von Industriegebieten sowie von Deponien für deren Abfallprodukte dominiert werden. Die zusammengetragenen Kunstwerke zeigen direkte Auswirkungen menschlicher Aktivitäten auf unsere globale Umwelt und präsentieren verschiedene Anzeichen für den verheerenden Preis, den wir zahlen müssen, um unseren materiellen Anforderungen und dem ungezügelten Konsumverhalten gerecht zu werden. 
Von transformierten Landschaften, die für den Tagebau von Bäumen, Vegetation und Mutterboden befreit sind, bis hin zu Bodenverarmung und Erosion infolge von übermäßiger Landwirtschaft. Dünger und Chemikalien werden in die Wasserwege gespült, unvorstellbar weitreichende Areale verwandeln sich zu Abraumhalden und massive Rückhaltebecken, die von Erddeichen umgeben sind, um hochgiftige Rückstande aus Fabriken zu sammeln. Küstengebiete, die entweder durch den Plastikmüll verschmutzt oder durch den Anstieg des Meeresspiegels durch schmelzende Gletscher und Eiskappen in ihrer Existenz bedroht sind.
In unserer heutigen Zeit sind der menschliche Einfluss auf das Ökosystem und die Anzeichen des Anthropozäns eines der wichtigsten Probleme, die es zu lösen gilt. Umweltwissenschaftlerin und Aktivistin Vandana Shiva, die 2010 schrieb:
„Wenn wir in unserer Zeit an Kriege denken, denken wir an den Irak und Afghanistan. 
Aber der größere Krieg ist der Krieg gegen den Planeten. Dieser Krieg hat seine Wurzeln in einer Wirtschaft, die ökologische und ethische Grenzen nicht respektiert – Grenzen der Ungleichheit, Grenzen der Ungerechtigkeit, Grenzen der Gier und der wirtschaftlichen Konzentration.“ 
Rob Nixon hat in seinem Buch „Slow Violence And The Environmentalism Of The Poor“ den Begriff „Slow Violence“ vorgeschlagen, um den anthropogenen Wandel unseres Planeten zu beschreiben:
„Mit langsamer Gewalt meine ich eine Gewalt, die allmählich außer Sichtweite auftritt, eine Gewalt verzögerter Zerstörung, die über Zeit und Raum verteilt ist, eine zermürbende Gewalt, die typischerweise überhaupt nicht als Gewalt angesehen wird. Gewalt wird üblicherweise als ein Ereignis oder eine Handlung verstanden, die in der Zeit unmittelbar, explosiv und spektakulär im Raum ist und in eine sofortige sensationelle Sichtbarkeit ausbricht. Ich glaube, wir müssen eine andere Sichtweise auf Gewalt anwenden, eine Gewalt, die weder spektakulär noch augenblicklich ist, sondern eher inkrementell und anwachsend ist, deren katastrophale Auswirkungen sich über eine Reihe von Zeitskalen 
erstrecken. Dabei müssen wir uns auch mit repräsentativen, narrativen und strategischen Herausforderungen auseinandersetzen, die sich aus der relativen Unsichtbarkeit langsamer Gewalt ergeben.

Klimawandel, das Auftauen der Kryosphäre, toxische Drift, Biomagnifikation, Entwaldung, radioaktive Folgen von Kriegen, die Versauerung der Ozeane und eine Vielzahl anderer sich langsam entfaltender Umweltkatastrophen stellen erhebliche repräsentative Hindernisse dar, die unsere Bemühungen um Mobilisierung und entschlossenes Handeln behindern können. Das lange Sterben – die gestaffelten und erschreckend geringen Verluste, sowohl menschliche als auch ökologische, die aus den giftigen Folgen des Krieges oder dem Klimawandel resultieren – sind sowohl in der strategischen Planung als auch im menschlichen Gedächtnis unterrepräsentiert.“

Kunst kann Geschichten erzählen, die Statistiken nur schwer vermitteln können. Kunstwerke können den Betrachter in ihren Bann ziehen. Kunst kann einer trockenen Debatte ein Gefühl des Staunens verleihen. Auf diese Weise kann Kunst möglicherweise eine wichtige Rolle beim Verständnis bestimmter Phänomene spielen, indem sie auf einzigartige Weise eine Verbindung zum Betrachter herstellt und dazu einläd, über die Hintergrundgeschichte und den thematischen Ausdruck der präsentierten Bilder nachzudenken und auf unser kollektives Bildgedächtnis zuzugreifen, anstatt nur ein Bild zu betrachten oder durch einen Rahmen zu schauen. Die Interaktion mit einem Kunstwerk kann zu dem werden, was Hans-Georg Gadamer ein „Ereignis“ nannte, bei dem das Kunstwerk den Betrachter schockiert oder umwirft und eine dadurch eigene Erfahrungswelt erschafft. Im Gegensatz zu einem Kunstwerk, das nur ein „Objekt ist, das uns gegenübersteht und das wir in der Hoffnung betrachten, darin eine beabsichtigte konzeptuelle Bedeutung zu erkennen“.

Der französische Philosoph, Anthropologe und Soziologe Bruno Latour beantwortete die Frage, wie man die Menschen für die ökologischen Probleme unserer Zeit sensibilisieren kann, indem er feststellte:
„Es geht nicht darum Menschen zu sensibilisieren. Entweder sind Sie es oder Sie sind nicht, abhängig davon, wie gut Sie die Welt, in der Sie leben, verstehen. Wenn ein Feueralarm ausgelöst würde, würden wir nicht weiterreden, sondern nach draußen gehen. Sensibilität ist etwas, das man entwickelt, wofür man Instrumente braucht. Sie brauchen Instrumente, Alarme, Hörgeräte, alle Arten von Geräten, um sensibel zu sein. Es gibt einige Beispiele für diese Sensibilität. Vor allem Wissenschaft, Naturwissenschaften. Sie haben uns im weitesten Sinne sensibel für den Klimawandel gemacht. Auch die Künste spielen eine wichtige Rolle beim Verständnis bestimmter Phänomene. Wichtig ist, dass die Gesellschaft in der Lage ist, die Veränderungen, die sie selbst herbeigeführt hat, rechtzeitig zu erkennen.“ 

Die am einfachsten erkennbare Auswirkung, die Gesellschaften auf ihre umgebende Landschaft haben, ist der direkte Abfall, den wir produzieren, der entweder auf ausgewiesenen Mülldeponien entsorgt oder fast sofort an dem Ort weggeworfen wird, an dem er produziert wurde.

Für seine Arbeit „Isolation (Müllhalde)“ konstruierte Fabian Knecht einen White Cube um eine mit Abfall übersäte Fläche im öffentlichen Raum und lenkte die Aufmerksamkeit des Betrachters auf den Zustand der Umwelt auf dieser Deponie. Ein Raum, dessen Ästhetik wir darauf trainiert sind, mit bildender Kunst in Verbindung zu bringen, wird verwendet, um die Aufmerksamkeit auf etwas zu lenken, das oberflächlich banal, aber auf den zweiten Blick sehr bedeutungsvoll ist – die Verschmutzung durch Müll.

Zwei weitere Künstler:innen dieser Ausstellung verwenden alltägliche menschliche Abfälle als Grundlage für ihre Arbeiten. Jazoo Yang sammelt auf ihren Spaziergängen durch die Städte Müll und Reste von Straßen und Gehwegen und arrangiert sie zu Collagen, die schließlich mit Kunstharz umhüllt werden und sie quasi zu Momentaufnahmen der Orte machen, an denen die Künstlerin präsent war. Diese Kunstharzwerke gibt es in verschiedenen Formen, seien es Wandstücke oder echte Abgüsse von Bausteinen. Gegenstände, die man normalerweise auf der Straße übersieht, werden zu skulpturalen Stücken erhoben, die Aufmerksamkeit und Reflexion erfordern. In dieser Ausstellung ist auch ein Beispiel für einen minimalistischeren Ansatz zu sehen, bei dem sie sorgfältig ausgewählte Fundstücke verwendet und diese in Bilderrahmen arrangiert.

Das Rauschen von Meereswellen ist der Soundtrack zu Haku Sughos faszinierendem, auf Feldforschung basierendem Projekt „Sway“, für das er Plastikmüll von verschiedenen Stränden der Ostsee sammelt. Er verwandelt seine Fundtücke in LP Blank Disks, schneidet manchmal eine Audiospur in diese recycelten Disks und brandmarkt sie mit dem Tönen ihres Ursprungsortes.
Er lenkt die Aufmerksamkeit des Betrachters auf das drängende Thema der Meeresverschmutzung, indem er mit seiner Kunst dazu beiträgt, die Müllmenge an den Stränden zu reduzieren.

Vibha Galhotra befasst sich ebenfalls mit der Verschmutzung des Wassers, konzentriert sich jedoch auf Süßwasser. Der Kurzfilm „Manthan“ basiert auf einer Legende aus der hinduistischen Mythologie, in der Götter und Dämonen den Ozean aufwühlen, um den Nektar der Unsterblichkeit zu gewinnen. Durch eine romantisierte, performative Geste untersucht der Film Perspektiven der ökologischen Bedrohung und stellt sich einen Prozess vor, bei dem der schädliche Abfall aus dem Yamuna-Fluss gefiltert wird. „Manthan“ weigert sich, die Hoffnung aufzugeben und fleht uns an, eine Lösung zu finden, bevor es zu spät ist.

Durch Giftstoffe verseuchte Gewässer und Böden sind ein zentrales Thema in den ausgestellten Werken der folgenden drei Künstler:innen. Die Arbeiten von Clemencia Echeverri sind von politischen und sozialen Bedingungen inspiriert, die unsere Zeit geprägt haben, und zielen darauf ab, den Betrachter/die Betrachterin in Erfahrungen, Situationen und Ereignisse einzutauchen, die uns einladen, die Welt, in der wir leben, zu erkunden und aus einer kritischen und emotionalen Perspektive zu überdenken. In ihrer Videoarbeit „Sin Cielo (Skyless)“ nimmt sie uns mit auf eine Reise in den Nordwesten Kolumbiens und dokumentiert eine Landschaft, die vom unregulierten Goldabbau gezeichnet und vergiftet ist. Der Hauptprotagonist ist ein Fluss, im Grunde ein toter Wasserkörper, der Zerstörung und Schaden flussabwärts mit sich bringt und Ökosysteme und Gemeinschaften in Gefahr bringt.

Die Skulpturen von Silvia Noronha sind aus dem entstanden, was die Künstlerin als wissenschaftlich-alchemisch basierte Forschung über den Anpassungsprozess, die Symbiose und die Kommunikation zwischen menschengemachten Substanzen und natürlichem Material beschreibt. Noronha interessiert sich sehr für den Bergbau und die daraus resultierende Umweltverschmutzung. In ihrer Werkserie „Shifting Geologies“ stellt sie sich vor, welche geologischen Formen sich im Laufe der Zeit durch die Verschmelzung von menschengemachten und natürlichen Substanzen bilden könnten.

Mit fast obsessivem Interesse hat Kristian Askelund die letzten 6 Jahre an dem Thema der Athabasca Ölsand Mienen in Alberta, Kanada, gearbeitet. Luftaufnahmen dieser hochgradig verschmutzten, künstlichen Landschaften, die der Petrokapitalismus geschaffen hat sind Inspirationsquellen, und er versucht, die physikalischen Prozesse, die sie geformt haben, zu verstehen und nachzubilden. Die Entwicklung von der ursprünglich scheinbar abstrakten Serie „Future Landscapes“, von der drei Werke in dieser Ausstellung zu sehen sind, ist in seinen späteren Arbeiten zu diesem Thema spürbar, die in seinem Triptychon „Mildred Lake“ eine figurativere und etwas düsterere Sicht zeigen. Was zuvor suggeriert wurde, ist nun eine rohe und beängstigende Realität geworden. Die 4,5 Meter Leinwand entsprechen einer realen Landschaft von fast 6,5 Kilometern.

Die globale Erwärmung ist das zentrale Thema der Arbeiten von Pako Quijada. In ihrer weitläufigen fotografischen Arbeit „Lakes of our making“ wird uns das beschleunigte Schmelzen des Sólheimajökull präsentiert, einem langen Auslassgletscher der Mýrdalsjökull-Eiskappe in Südisland. Innerhalb von nur vier Jahren hat sich das Gletscherende sichtbar zurückgezogen (mit einer Geschwindigkeit von 100 m pro Jahr) und sich zu einem pro-glazialen See vergrößert, einem Gewässer, das vor 2007 nicht existierte. Die dunkle, neblige Atmosphäre der Fotos von 2021 betont den Klimanotstand und das drohende Verschwinden der isländischen Gletscher.
Die Videoarbeit „Curate’s Egg“ greift das gleiche Thema auf, weitet es aber auf die arktischen Regionen aus, denen das sich erwärmende Klima eine Mischung aus Potenzial, Unruhen und politischen Konflikten beschert hat.

Das erbaute Erbe der Menschheit wird in den Werken von Hunter Buck und Martinho Mendes dargestellt. Die Landschaft übernimmt die prägende Kraft von Bucks Arbeiten, indem er großformatige Leinwände auf unterschiedlichen Untergründen platziert. Er verewigt ihre Formen auf der Oberfläche des Stoffes, indem er sie mit Graphit einreibt, und versucht so, eine neue Beziehung zwischen Malerei und Ort zu entwickeln und Stücke zu schaffen, die fest mit dem Boden verwurzelt sind, auf dem sie hergestellt wurden. Die physische Zusammenarbeit mit Rohmaterial verschmilzt mit emotionaler Reminiszenz, erschafft Bilder, die die Dualität unserer Erfahrung mit Orten belegen. Für die ausgestellten Arbeiten nutzte er verfallenen Stadtraum als Basis für die Bearbeitung.

Mendes‘ künstlerische Praxis ist stark beeinflusst von seiner Heimatinsel Madeira und den Veränderungen, die die menschliche Besiedlung auf die umgebenden Landschaft und Natur hatte. Sei es durch Abholzung, welche Einflüsse heimische Pflanzen auf die Population haben und welche Auswirkungen eingeschleppte Arten auf das Gleichgewicht der Inselbiogeographie haben. Die beiden ausgestellten Fotos sind Beispiele, die seine kontinuierliche Untersuchung der Risiken einer Insellandschaft und der menschlichen Verletzlichkeit, der sie begegnet, darstellen. Sie repräsentieren ein Paradox dessen, was das Leben auf der Insel ausmacht: ein ständiger menschlicher Versuch, den natürlichen Fluxus zu kontrollieren, indem er künstliche Mittel konstruiert, um den Status quo zu sichern und geologischen Prozessen entgegenzuwirken.
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